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immat-kulturerbe-1Die Welterbekonvention von 1972 stieß international sofort auf großes Interesse und wurde zu einem Erfolgsfaktor der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Die Mitgliedsländer waren bestrebt, ihre Natur- und Kulturschätze, die von universellem Interesse sind, zu listen und auszuzeichnen. Doch schon nach wenigen Jahren eröffnete sich ein neues Problem, das schon bald nach einer Lösung verlangte. Das UNESCO-„World Heritage“ war zu materiell ausgerichtet. Warum sollte nur das „Ding“, das „Produkt“, geschützt werden und nicht auch das tradierte Wissen um seine Erzeugung, die Einbindung in ein Ritual oder Fest?

Nicht das Produkt, sondern der Prozess wird hervorgehoben

immat-kulturerbe-2Aus den sogenannten Entwicklungsländern kamen zudem Einwände, dass sie sich in der Welterbekonvention nicht adäquat repräsentiert fühlten und eine Ungleichverteilung zwischen Norden und Süden orteten. Sie argumentierten, dass ihr kultureller Reichtum stärker in Lebensformen und Ausdrucksweisen als in Bauten zum Ausdruck käme. Im November 1997 wurde so während der 25. Generalkonferenz der UNESCO die „Proclamation of Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity“ gefasst, die 1998 in Kraft trat und die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes der Welt richtete.

Bis 2005 waren 90 „Masterpieces“ ausgezeichnet und verdeutlichten das große Interesse der Mitgliedsstaaten am immateriellen Kulturerbe. Die UNESCO-Konvention zum Erhalt des immateriellen Kulturerbes konnte so nach diesen Erfahrungen während der 32. Generalversammlung der UNESCO beschlossen werden und am 20. April 2006 in Kraft treten. Österreich trat dieser Konvention am 9. Juli 2009 bei. Mit der Auszeichnung als immaterielles Kulturerbe soll nicht das Produkt, sondern der Prozess hervorgehoben werden. Es darf nicht statisch, sondern in ständiger Entwicklung verstanden werden. Die Akteure und Akteurinnen der Traditionen spielen darin eine zentrale und aktive Rolle. (Bild rechts: Ludwig Richter „Es war einmal“. Holzschnitt 1846. OÖ. Landesmuseum, Bildarchiv Volkskunde.)

Gelebte Tradition soll sichtbar werden

Mit der Konvention sollen „gelebte Traditionen“ sichtbar gemacht und soll auch die Gleichwertigkeit von immateriellen und materiellen Kulturgütern hervorgehoben werden. „Praktiken, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturelle Räume (…), die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen [sind] als Bestandteil ihres Kulturerbes anzusehen. Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird.“ (Originaltext des Übereinkommens)

Zum besseren Verständnis wurden fünf Bereiche aufgestellt, die das immaterielle zum Ausdruck bringen:

  • 1. Mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes
  • 2. Darstellende Künste
  • 3. Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste
  • 4. Wissen und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum
  • 5. Traditionelle Handwerkstechniken

immat-kulturerbe3Schon mit Jänner 2006 wurde in Wien die Nationalagentur für das immaterielle Kulturerbe eingerichtet. Ihr obliegt seither die Erstellung des nationalen Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes. Sie dient als Verbindungsstelle zwischen nationalen und internationalen Kooperationen und sieht sich als Plattform für den interdisziplinären Dialog. Österreich ist seit der Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens zur Wertschätzung der kulturellen Praktiken in allen Bundesländern und auch zur Sichtbarmachung der kulturellen Traditionen auf nationaler und internationaler Ebene, zur Setzung neuer Akzente im Bildungsbereich im Hinblick auf Nachhaltigkeit, zur Dokumentation und zur Verbreitung des Wissens, zur Erhaltung und Vermittlung des kulturellen Erbes für die nächsten Generationen und zur Betonung der großen Bedeutung der gelebten kulturellen Vielfalt verpflichtet. Der Erhalt der Traditionen soll institutionell gewährleistet werden, und durch die Auszeichnung als immaterielles Kulturerbe soll eine „entzauberte Welt“ „wieder verzaubert“ werden. Die Bedeutung von lokalem Wissen und Fertigkeiten, welche durch „die Technologiegläubigkeit und den Raubbau an natürlichen Ressourcen in den letzten Jahrzehnten" verdrängt worden ist, soll durch die Konvention hervorgehoben werden (Wöhler 2010, Kolar 2011). (Noten links: Notenblatt zum Aberseer Schleuniger. Aus: Hermann Derschmidt. Volkstänze aus Oberösterreich. Linz 1985.)

In der aktuellen BRAUCHma!-Ausgabe (Nr. 268) gibt es einen ausführlichen Bericht über die einzelnen Kulturerbe-Elemente, die seit 2010 eine Auszeichnung der UNESCO erhalten haben. Hier können Sie das Magazin BRAUCHma! abonnieren (Jahresabo: 12 Euro, 4 Ausgaben).

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