Aus der Geschichte der Trachtenvereine (Überarbeitet von Hans Baumann)
Vorgeschichte
Wenn man über die Geschichte der Trachtenvereine berichten und einen chronologischen Ablauf einhalten will, muss man in Oberbayern beginnen, welches als Wiege der Trachtenbewegung angesehen werden muss. Trachten- vereine in unserem Sinne gab es ja auch bis in die Jahre nach dem 2. Weltkrieg nur in Bayern, Österreich und in der Schweiz, also in den Alpenländern. Bei den Vereinen im übrigen Deutschland oder im Ausland handelte es sich meist um Gründungen ausgewanderter Bayern oder Österreicher oder um Gemeinschaften, die nach deren Vorbild aufgebaut waren.
Als Vater aller in Vereinen organisierter Trachtenträger wird der Lehrer Ludwig Vogel angesehen, der am 25. August 1883, an seinen und in des Königs Namen, mit einigen Bauernburschen und Handwerkern in Bayrischzell im Gasthof „Wendelstein“, den ersten Trachtenverein gründeten.
Die Gründung hat eine Vorgeschichte
Der volksbewusste und sehr romantisch veranlagte Bayernkönig Ludwig II. sah mit Besorgnis, wie die städtische Mode immer mehr auf die Kleidung der Landbevölkerung Einfluss nahm und besonders die kurze Lederhose, seit 350 Jahren Hauptkleidungstück der Gebirgsbewohner, besonders der Jäger und Holzfäller, sang- und klanglos zu verschwinden drohte. Martin Staudacher, der Dichter und Sänger des berühmten Bayrischzeller Liedes, war Mitgründer und verfasste das Protokoll und die Chronik über die Gründung und schrieb: „Man sieht nur noch den Jäger und diesen höchst selten in kurzen Hosen einhergehen“
König Ludwig II. setzte eine Pioniertat und erließ eine Anordnung, die Kreisregierungen und Bezirksämter hätten die Gemeinden aufzufordern, Vereine zur Erhaltung der Bayerischen Volkstracht zu gründen. Dem Lehrer Vogel hatte der Vormarsch der städtischen Kleidung schon lange nicht gepasst. Er war ein überzeugter Träger der kurzen Lederhose, um welche sich viele seiner Wirtshausdiskussionen drehten. Seine Gesprächspartner waren junge Burschen, von denen er vorerst nur fünf dazu brachte, sich kurze Lederhosen machen zu lassen.
Diese neu angefertigten kurzen Lederhosen wurden zuerst zum Kirchgang getragen. Die Burschen wurden schief angeschaut und zuerst verspottet, als sie in der Kirche Aufstellung nahmen. Als diese auf den Spott nicht reagierten und der Verein rasch größer wurde - und damit auch die kurzen Lederhosen immer mehr wurden - gewöhnte man sich an den Anblick.
Lehrer Vogel hatte wie sein König richtig erkannt, das ein Volk, dass sich seine angestammte Tracht nehmen lässt, der Verfremdung Tür und Tor öffnet und das es nur einer starken Gemeinschaft möglich ist, diesem entgegenzuwirken und auf die Bevölkerung Einfluss zu nehmen. Tatsächlich verschwand in Bayrischzell nach einiger Zeit die alte Bauernkleidung der Männer. Die kurze Lederhose wurde von der Arbeitstracht zur Sonntagstracht erhoben und war damit saison- und kirchenfähig geworden.
König Ludwig II. hat es nicht bei der Anordnung bewenden lassen, Trachtenvereine zu bilden. Er hat für sie Zeit seines Lebens auch viel getan. Die Verbundenheit mit ihren hohen Gönner und Gründer bewiesen die Trachtenver- eine nach dessen tragischen Tode im 41. Lebensjahr. An seinem Begräbnis am 15. Juni 1886 nahmen alle bis dahin gegründeten Trachtenvereine teil und legten an seiner Grabstätte Kränze von Alpenrosen und Edelweiß nieder. Auch der andere Ludwig, nämlich der Lehrer Vogel, starb im blühenden Alter von nur 37 Jahren.
Doch nun zurück zum Jahre 1883. In diesem Jahr wurde auch noch in Fischbachau, in der Nähe von Bayrischzell und in Miesbach, auch nicht weit entfernt, je ein Trachtenverein gegründet und in der weiteren Folge entstanden in jedem Jahr mehrere Trachtenvereine, vorerst entlang des Wendelsteingebirges bis nach Rosenheim.
1890, also sieben Jahre nach der ersten Vereinsgründung, vereinigte man sich bereits auf höherer Ebene und gründete mit 15 Trachtenvereinen den Gauverband 1. in Feilnbach. Dieser Verband erreichte bald eine so große Ausdehnung, dass sich schon 1899 die Vereine des Gebietes um Miesbach und Bayrischzell als Oberlandler Gauverband selbständig machten. Oberbayerische Holzfäller zogen nach Nürnberg, um die von der Nonne befallenen Wälder zu schlagen und gründeten dort Gebirgstrachten-Erhaltungsvereine. Andere oberbayerische Auswanderer hatten schon 1892 im Wiesbaden und 1893 in Berlin Vereine gegründet und so pflanzte sich die Idee des Bayrischzeller Lehrers fort. Man kann sagen, wo sich einige Oberbayern trafen, gründeten sie einen Trachtenverein, was gar nicht immer leicht war. In München wollte man für die Plattlerproben Lustbarkeitssteuer verlangen und in Berlin erfand man eine Lederbekleidungssteuer. Beide Angriffe auf die Finanzen der ideologisch aufgebauten Trachtenvereine konnten durch eisernes Zusammenhalten und kluges und energisches Verhandeln abgewehrt werden. Hier bewährte sich der bayerische Dickschädel. Die Saat von Lehrer Vogel gedieh prächtig und heute gibt es in Süddeutschland rund 1000 Trachtenvereine, die in insgesamt 19 Gauverbände zusammengefasst sind. Es gibt außerdem noch einen Gauverband Nordamerika mit 31 bayerischen Trachtenvereinen in den Vereinigten Staaten und sieben in Kanada.
Der erste Trachtenverein in Österreich
Auch in Österreich gab es Menschen, die über die Verwässerung und Verflachung der Sitten und Bräuche, sowie über den Einfluss der Mode auf die heimischen Trachten besorgt waren. Zweifellos war es dem bayerischen Beispiel zuzuschreiben, dass 1891 der noch heute bestehende Trachtenverein „Alpinia“ in Salzburg als erster österreichischer Trachtenverein gegründet wurde. Beweis des bayerischen Einflusses auf diese Gründung ist auch, dass der Verein „Alpinia“ nicht nur den Landesverband Salzburg angehört, son- dem auch noch - vermutlich schon seit seiner Anfangszeit - Mitglied des Bayerischen Gauverbandes 1. ist.
Der Trachtenverein „Alpinia“ wurde 1912 mit der Durchführung des 22. Gaufestes d Gauverbandes 1. beauftragt, dass vom 3. bis 5. August 1912 stattfand. Man bedenke, ein bayerisches Gaufest in Österreich. Es waren aber auch 51 oberbayerische und nur 35 österreichische Vereine anwesend. Die Vereine aus dem oberbayerischen Gebirgs-gegenden waren überhaupt eher bereit, mit dem österreichischen Gebirgstrachtenvereinen zusammenzuarbeiten, als mit den Vereinen im eigenen Flachland. Daraus ergab sich auch, dass Tiroler Vereine - in Ermangelung einer eigenen Dachorganisation - dem im Jahre 1903 gegründeten bayerischen Inngauverband angehörten.
Es erfolgten auch in Österreich nach dem bayerischen Vorbild die Trachtenvereinsgründungen am laufenden Band. Von 1891 bis 1900 wurden in Stadt und Land Salzburg, in Wien und Tirol 12 Trachtenvereine gegründet und in der folgenden Zeit bis zum Ersten Weltkrieg verstrich kein Jahr ohne zumindest eine Vereinsgründung, wobei der Trachtenvereinsgedanke auch die Bundesländer erfasste. Begünstigt wurde diese Gründung durch ein Vereins-gesetz, dass, obwohl aus dem Jahre 1867 stammend, der Zeit weit voraus war. Es ist noch heute ein vorbildliches Gesetz, das nur dreimal und zwar 1951, 1954 und 1962 geringfügig novelliert wurde. Erst im Jahr 2002 gab es eine größere Anpassung des Vereinsgesetzes.
1908 kam es zur Gründung einer Dachorganisation und zwar des sogenannten Reichsverbandes, mit dem Sitz in Salzburg, der alle österreichischen Trachtenvereine erfassen sollte, die an einer Zusammenarbeit interessiert waren. Die Bezeichnung (Reichsverband) war aus Bayern importiert, denn dort bemühte man sich, alle paar Jahre wieder, einen solchen aus den schon bestehenden Dachverbänden zu bilden. Die Bayern lebten ja in einem „Reich“.
Es sei vorausgeschickt, dass es unseren Nachbarn erst im Dezember 2002, durch einen so genannten „Verschmel-zungsvertrag“ gelungen ist, eine Organisation zu bilden, die das ganze Bundesgebiet umfasst. Zu groß waren die Gegensätze zwischen Gebirgs- und Flachlandbewohnern.
Gründer des österreichischen Reichsverbandes war, wie sollte es anders sein, der in Salzburg lebende Oberbayer Hans Tiator. Das im Laufe der Zeit auch Oberösterreicher im Reichsverband mitarbeiteten geht daraus hervor, dass Sepp Hörzing und Franz Greinegger, beide von der Altstädter Bauerngmoa, zu dessen Ehrenmitgliedern ernannt wurden.
1909 starb in Rosenheim der erste Vorstand des Gauverbandes 1, Franz Xaver Huber. An seinem Begräbnis nahmen 80 (!) Trachtenvereine teil. Aber bald darauf umfasste dieser Verband allein 100 Trachtenvereine, fürwahr ein kometenhafter Aufstieg der Trachtenbewegung in Bayern.
Die ersten oberösterreichischen Trachtenvereine und Verbände
Der erste Trachtenverein in Oberösterreich, der GTE- u. Schuhplattlerverein „D´Steyrtaler“, wurde 1901 in Steyr gegründet. Dieser Verein löste sich 1926 auf, wurde aber 1933 als 1. Linzer GTE- und Schuhplattlerverein „D´Steyrtaler“ wieder neu gegründet.
1902 wurde der 1. OÖ.-Schuhplattler- und GTEV „D´Stoansteirer“ Linz gegründet, der sich 1966 wieder auflöste, und seit 1903 gibt es die „Traunseer“ in Gmunden.
1904 wurde in Linz die „Eghalända Gmoi“ gegründet, der älteste heute noch bestehende Linzer Verein. Doch es .handelt sich hier nicht um einen Trachtenverein im üblichen Sinn, sondern um eine Landsmannschaft, welche die zahlreichen in Linz lebenden Eghaländer erfasst. Dazu sei bemerkt, dass der größte Teil des Linzer Landestheaters zu dieser Zeit aus Eghaländern und anderen böhmischen Musikanten bestand. Die Pflege der aus der Heimat mitgebrachten Tracht war Selbstverständlichkeit.
Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges wurden in Oberösterreich 10 Trachtenvereine gegründet.
Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten wieder zahlreiche Vereinsgründungen, aber auch Gründungen von Dachver- bänden, da die Vereine bald merkten, dass sie alleine nicht viel ausrichten konnten.
Eine sehr schwierige Zeit hatten die Vereine vor und während des 2. Weltkrieges durchzustehen. Nur mehr unter größten Schwierigkeiten konnte das Vereinsleben aufrechterhalten werden. Im April 1939 wurde den Vereinen sogar die Auflösung angedroht, worauf viele resignierten und aufgaben. Es wurde auch verlangt, die Vereine sollten sich der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ anschließen, sich umbenennen und die Statuten der Parteileitung vorlegen. Die meisten Organisationen mussten ihre Tätigkeit überhaupt einstellen, da ihre männlichen Mitglieder zu anderen Fahnen gerufen wurden.
Die Gründung von Dachverbänden in Oberösterreich
Als erster Verband gründete sich in Oberösterreich 1920 der Verband der Heimat- und Trachtenvereine Salz-kammergut.
1 Jahr später wurde der Gauverband Traungau, der Vorgängerverband des heutigen Trachten- und Brauchtums-verbandes Wels - Traun- und Hausruckviertel, gegründet.
1922 wurde der Gauverband Donaugau, der noch im Jahr der Gründung seinen Namen auf Donau-Mühlviertel-Gau Linz geändert hat, gegründet. Dieser Gau entwickelte sich ab 1935 immer mehr zu einem VB der Gebirgstrachten- bzw. Schuhplattlervereine, die auch als „Kurzhoserte“ bezeichnet wurden. 1946, also nach dem 2. Weltkrieg, wollten sich die „Kurzhoserten“ noch einmal zusammenschließen, und zwar im LVB Alpiner GTE- und Schuh-plattlervereine in OÖ. 1 Jahr später löste sich diese Gemeinschaft, die keine Gründung eines Landesverbandes im heutigen Sinn werden sollte, wieder auf.
1926 gründete sich der Verband der Heimat- und Trachtenvereine Innviertel.
Wegen Streitereien im Donau-Mühlviertel-Gau gründeten 1933 sechs Linzer Trachtenvereine den Verband der Linzer Trachtenvereine, der auch als VB Linz und Umgebung bzw. als Verband der „Langhoserten“ bezeichnet wurde. Dieser Verband bestand offiziell bis 1938. Allerdings dürften sich nach dem 2. Weltkrieg einige Mitglieds- vereine dieses Verbandes noch einmal, ohne offizielle Wiedergründung, kurz vereint haben.
1947 kam es zur Gründung des heutigen Verbandes der Heimat- und Trachtenvereine Linz und Umgebung. Es war dies in erster Linie der Zusammenschluss ehemaliger Mitgliedsvereine des Donau-Mühlviertel-Gaues und des aufgelösten Verbandes der Linzer Trachtenvereine.
1969 schlossen sich die Siebenbürger Jugendgruppen in OÖ. zum Verband zusammen.
1978 wurde schlussendlich der Innviertler Volksmusikkreis gegründet. Seit dem Tod des Gründungsobmannes Rudi Gallhammer im Jahr 1998 gibt es seitens dieses Verbandes allerdings keine Aktivitäten mehr.
Die Gründung des Landesverbandes der HTV OÖ
Es wurde auch sehr bald versucht, für die Heimat- und Trachtenvereine in Oberösterreich einen Landesverband zu gründen. Der erste Versuch wurde 1923 gestartet. Mit 3 Jahren war ihm allerdings keine allzu lange Dauer beschieden. Der zweite Versuch wurde 1935 gestartet. Mit dem 2. Weltkrieg scheiterte allerdings auch dieser Versuch.
Am 9. November 1947 ist dann die Gründung des heutigen Landesverbandes der Heimat- und Trachtenver-einigungen Oberösterreichs geglückt. Die Gründung ging aber nicht reibungslos vor sich, denn die Vereine des Salzkammergutes wollten sich niemanden unterordnen. Sie pochten immer wieder auf ihre alte Tradition und das nur sie das echte Brauchtum pflegen. In Wirklichkeit ging es aber nicht nur darum, sondern auch um die Vormacht-stellung im Landesverband. Gegen den Sitz des Landesverbandes in Bad Ischl mit Funktionären aus dem Salz- kammergut an der Spitze, währen von dieser Seite aus bestimmt keine Einwände erfolgt.
Der Verband der Heimat- und Trachtenvereine Salzkammergut ist 1958 aus dem Landesverband wieder ausgetreten. Dadurch hat er die gewünschte Selbstständigkeit wieder erhalten und es wurden damit endlich auch die immer wieder zutage tretenden Gegensätze aus der Welt geschafft. Ebenfalls 1947 wurde in Wels die sogenannte ARGE - Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände - gegründet. Diese Arbeitsgemeinschaft ist der heutige Bund der Österreichischen Trachten- und Heimatverbände.