Der erste Trachtenverein in Österreich
Auch in Österreich gab es Menschen, die über die Verwässerung und Verflachung der Sitten und Bräuche, sowie über den Einfluss der Mode auf die heimischen Trachten besorgt waren. Zweifellos war es dem bayerischen Beispiel zuzuschreiben, dass 1891 der noch heute bestehende Trachtenverein „Alpinia“ in Salzburg als erster österreichischer Trachtenverein gegründet wurde. Beweis des bayerischen Einflusses auf diese Gründung ist auch, dass der Verein „Alpinia“ nicht nur den Landesverband Salzburg angehört, son- dem auch noch - vermutlich schon seit seiner Anfangszeit - Mitglied des Bayerischen Gauverbandes 1. ist.
Der Trachtenverein „Alpinia“ wurde 1912 mit der Durchführung des 22. Gaufestes d Gauverbandes 1. beauftragt, dass vom 3. bis 5. August 1912 stattfand. Man bedenke, ein bayerisches Gaufest in Österreich. Es waren aber auch 51 oberbayerische und nur 35 österreichische Vereine anwesend. Die Vereine aus dem oberbayerischen Gebirgs-gegenden waren überhaupt eher bereit, mit dem österreichischen Gebirgstrachtenvereinen zusammenzuarbeiten, als mit den Vereinen im eigenen Flachland. Daraus ergab sich auch, dass Tiroler Vereine - in Ermangelung einer eigenen Dachorganisation - dem im Jahre 1903 gegründeten bayerischen Inngauverband angehörten.
Es erfolgten auch in Österreich nach dem bayerischen Vorbild die Trachtenvereinsgründungen am laufenden Band. Von 1891 bis 1900 wurden in Stadt und Land Salzburg, in Wien und Tirol 12 Trachtenvereine gegründet und in der folgenden Zeit bis zum Ersten Weltkrieg verstrich kein Jahr ohne zumindest eine Vereinsgründung, wobei der Trachtenvereinsgedanke auch die Bundesländer erfasste. Begünstigt wurde diese Gründung durch ein Vereins-gesetz, dass, obwohl aus dem Jahre 1867 stammend, der Zeit weit voraus war. Es ist noch heute ein vorbildliches Gesetz, das nur dreimal und zwar 1951, 1954 und 1962 geringfügig novelliert wurde. Erst im Jahr 2002 gab es eine größere Anpassung des Vereinsgesetzes.
1908 kam es zur Gründung einer Dachorganisation und zwar des sogenannten Reichsverbandes, mit dem Sitz in Salzburg, der alle österreichischen Trachtenvereine erfassen sollte, die an einer Zusammenarbeit interessiert waren. Die Bezeichnung (Reichsverband) war aus Bayern importiert, denn dort bemühte man sich, alle paar Jahre wieder, einen solchen aus den schon bestehenden Dachverbänden zu bilden. Die Bayern lebten ja in einem „Reich“.
Es sei vorausgeschickt, dass es unseren Nachbarn erst im Dezember 2002, durch einen so genannten „Verschmel-zungsvertrag“ gelungen ist, eine Organisation zu bilden, die das ganze Bundesgebiet umfasst. Zu groß waren die Gegensätze zwischen Gebirgs- und Flachlandbewohnern.
Gründer des österreichischen Reichsverbandes war, wie sollte es anders sein, der in Salzburg lebende Oberbayer Hans Tiator. Das im Laufe der Zeit auch Oberösterreicher im Reichsverband mitarbeiteten geht daraus hervor, dass Sepp Hörzing und Franz Greinegger, beide von der Altstädter Bauerngmoa, zu dessen Ehrenmitgliedern ernannt wurden.
1909 starb in Rosenheim der erste Vorstand des Gauverbandes 1, Franz Xaver Huber. An seinem Begräbnis nahmen 80 (!) Trachtenvereine teil. Aber bald darauf umfasste dieser Verband allein 100 Trachtenvereine, fürwahr ein kometenhafter Aufstieg der Trachtenbewegung in Bayern.